VDFP erarbeitet Leitlinien auf dem Herbsttreffen des Verbandes in Köln
05.12.2017
Thesenpapier von Helge Albers, Christian Balz, Christoph Friedel, Janine Jackowski, Philipp Kreuzer, Susa Kusche, Marco Mehlitz, Gian-Piero Ringel und Karsten Stöter.
1. Produzieren in der digitalen Welt
Der VDFP als die einzige bundesweite Repräsentanz unabhängiger Produzenten sieht den digitalen Wandel als Herausforderung und Chance zugleich. Ob digital oder analog: Gute Inhalte werden sich auch weiterhin bewähren und gesucht werden. Das Berufsbild und die Rolle des unabhängigen Produzenten sind also keineswegs in Gefahr. Im Gegenteil: Sie wird in einer zunehmend komplexeren Finanzierungs- und Auswertungswelt durch ihre kuratorische Funktion an Bedeutung gewinnen. Gemeinsam mit den Urhebern steht der Produzent ganz am Anfang des kreativen und wirtschaftlichen Prozesses des Filmemachens.
In einer Welt, in der die bewährten Finanzierungstrukturen Abnutzungserscheinungen aufweisen, jedoch nach wie vor die Arbeitsrealität der produzentischen Tätigkeit bestimmen und gleichzeitig neue Modelle und Player vielseitige Möglichkeiten bieten, ist die Stärkung der Position der unabhängigen Produzenten eine essenzielle Notwendigkeit, um Innovation, Qualität und Vielfalt der deutschen und europäischen Filmlandschaft zu garantieren. Angesichts der zunehmenden Marktmacht einiger weniger Player ist es neben der Wahrung und Verbesserung der Interessen der unabhängigen Produzenten auch eine gesellschaftliche Notwendigkeit, eine vielfältige Filmlandschaft zu erhalten und pflegen. Die unabhängigen Produzenten sind dafür unverzichtbar.
Unser Ziel ist es daher, mit fairen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gemeinsam mit Autoren und Filmemachern die Filme und Serien zu entwickeln und zu produzieren, die Zuschauer begeistern und diese über etablierte wie neue Vertriebswege zugänglich zu machen. Hierfür brauchen wir angemessene Verwertungsfenster, einen klaren Platz für Kino und den Nachwuchs sowie Quoten für nationale und europäische Produktionen - nicht nur für traditionelle Verwerter, sondern auch für die neuen Anbieter. Eine flexible und gerechte Verteilung von Risiken auf Augenhöhe zwischen Kreativen, Produzenten und Verwertern, von Auftragsvolumina und von Gebührenaufkommen sowie von Fördermitteln für verwerterunabhängige Produzenten ist dafür die Voraussetzung. Als Initiator und gesamtwirtschaftlicher Hauptrisikoträger darf der unabhängige Produzent nicht der letzte sein, dem in der Verwertungskette Erlöse zufließen.
Als unabhängige Produzenten leben und unterstützen wir die europäische Integration schon seit Jahrzehnten durch gewachsene Koproduktionsbeziehungen. Sie sind Grundlage und Ursprung unserer kulturellen Vielfalt in Europa. Diese zu erhalten und weiter voran zu treiben ist unser Ziel. Harmonisierungsbestrebungen dürfen nicht dazu führen, die Finanzierung von Produktionen in Europa außerhalb großer Produktions- und Verwertungsgruppen wesentlich zu erschweren und das unabhängige Produzieren und länderspezifische Verwerten wirtschaftlich unmöglich zu machen. Das Territorialitätsprinzip ist und bleibt daher ein zentraler Bestandteil zukünftiger Finanzierungsmodelle jedweder Prägung.
2. Förder- und Finanzierungssystem
Das Grundprinzip von Filmförderung sollte der Risikoausgleich sein. Selbst in einem vergleichsweise potenten Kinomarkt wie dem Deutschen gibt es ein extrem hohes Finanzierungsrisiko. Daher ist und bleibt die Filmförderung ein zentraler Baustein der deutschen Filmfinanzierung, sofern es gewünscht ist, dass der Kinomarkt ein breites filmisches Spektrum abbildet und dem Publikum vielfältige Angebote macht. Dieses Risiko besteht insbesondere für Originalstoffe, bei denen sich mit jedem Release der Markt letztlich erst am Startdonnerstag positioniert. Etwas anders stellt sich die Lage bei Sequels dar. Hier hat der Markt bereits reagiert und eine Erfolgsabschätzung ist deutlich einfacher.
Der mit Abstand riskanteste Abschnitt des Produktionszyklus ist die Entwicklung. Der VDFP setzt sich dafür ein, die Finanzierungsbasis der Drehbuch- und Projektentwicklung deutlich zu verbessern. Der Produzent steht stets am Anfang dieses langwierigen Prozesses und begleitet Autoren und Regisseure in dieser Phase sehr eng. Die damit verbundene kreative Wertschöpfung und das finanzielle Risiko des Produzenten müssen deutlich stärker honoriert werden als bisher üblich. Hier ist ein Paradigmenwechsel notwendig, um dem Kinomarkt besser entwickelte Projekte anbieten zu können und den Produzenten zu ermöglichen, sich auf diese Entwicklungsprozesse konzentrieren zu können und ggf auch Entwicklungen abbrechen zu können. Daher halten wir es für sinnvoll, gerade im Development den Eigenanteil des Produzenten zu streichen. Die Etats für Drehbuch- und Projektentwicklung müssen spürbar erhöht werden. Der VDFP setzt sich weiterhin dafür ein, rückgezahlte Fördergelder von Sequels mit mehr als 1 Mio Zuschauer ausschließlich den Töpfen der Drehbuch- und Projektentwicklungsförderung zuzuschlagen.
Gerade im Hinblick auf die Developmentförderung muss der Erfolgsbegriff anders definiert werden. Der Abbruch eines Developmentprozesses muss als branchenüblicher Vorgang bewertet werden und darf nicht als Scheitern verstanden werden. Nur dann werden die besten Filme zur Herstellung gebracht.
FFA und BKM sind nach eigenem Selbstverständnis die „Leuchttürme“ der Kinofilmförderung in Deutschland. Es ist wichtig, dass diese Förderungen am Anfang einer Finanzierung stehen. In Zeiten, in denen die öffentlich-rechtlichen Sender immer weniger Budgets für immer weniger Kinofilme zur Verfügung stellen, müssen wir das gängige System, dass die Sender die ersten Entscheider für einen Kinofilm sind, in Frage stellen. Die Finanzierungsbasis der FFA muss weiterhin gestärkt werden, es ist notwendig, dass auch die VoD Plattformen in die FFA einzahlen. Der Portfoliogedanke in der Förderpraxis der FFA muss beibehalten werden. Wir möchten das BKM auffordern, sich intensiver in die Förderlandschaft einzubringen und werben um einen stärkeren Austausch und eine größere Harmonisierung mit den Regionalförderungen und der FFA.
Die starke Regionalisierung ist eine Besonderheit des deutschen Fördersystems. Oft widerstreben dabei die Partikularinteressen der Länder den überregionalen Interessen eines nationalen Filmmarktes. Konsistente und schnelle Finanzierungsmodelle werden somit erschwert und vermeidbare Kosten ausgelöst. Der VDFP setzt sich daher für eine deutlich stärkere Harmonisierung der Richtlinien der regionalen Filmförderungen ein und drängt darauf, Synergieeffekte innerhalb des Fördersystems wesentlich stärker als bisher zu nutzen. Regionale Fördermittel sind ein existenzieller Baustein deutscher Filmfinanzierungen. Gerade deshalb ist die Chancengleichheit beim Zugang zu Fördermitteln ein hohes Gut. Wir setzen uns grundsätzlich für eine zeitliche Begrenzung von Geschäftsführer- und Intendantenpositionen sowie Gremienbesetzungen ein. Wir möchten weiterhin anregen, die Gremien der regionalen Filmförderungen deutlich zu verschlanken und mindestens die Hälfte der Gremien mit unabhängigen Vertretern zu besetzen. Die Praxis der Koppelung von Förderentscheidungen an die Beteiligung von TV Sendern halten wir für kontraproduktiv.
Als ehemaliger Vorreiter bei der Einführung eines Tax Credits DFFF, ist Deutschland im internationalen Vergleich mittlerweile ins Hintertreffen geraten. Es ist dringend notwendig, dass die prozentuale Zuschusshöhe des DFFF wieder international wettbewerbsfähig gestaltet wird und auch auf die Entwicklungskosten anwendbar ist. Bei zukünftigen Überarbeitungen des DFFF sollte gewährleistet werden, dass internationale Ko-Produktionen möglich bleiben und Kompatibilität mit anderen Europäischen automatischen Anreizsystemen besteht.
3. Der Produzent als Unternehmer
Im europäischen Vergleich ist der prozentuale Anteil an Handlungskosten und Producers Fee der Herstellungskosten in Deutschland schlechter als in den meisten anderen Ländern. Daran muss sich etwas ändern, wenn in der deutschen Filmlandschaft zukunftssicher produziert werden soll.
In der Produktion müssen die Vergütungen des Produzenten angepasst werden und international vergleichbar sein. Die Producer’s Fee und die Handlungskosten müssen angemessen sein. Pauschale Kappungsgrenzen ergeben keinen logischen Sinn.
In der Zusammenarbeit mit den Verwertern muss ein Verhältnis auf Augenhöhe etabliert werden. Wir regen daher an, das Projektbudget in der Gesamtheit mit den Herausbringungskosten zu betrachten (Integriertes Budget) und die anteilige Investition in das Budget in den Rückfluss und die Aufteilung der Gewinne einfließen zu lassen. So sollte z.B. die Rückführung von Fördermitteln in der Produktion und im Verleih pari passu stattfinden. Eine Korridorregelung ist unbedingt notwendig.
Sublizensierung einzelner Vertriebsarten oder Territorien darf sich nicht zum Nachteil der Produzenten auswirken. Das Hauptziel sollte Transparenz sein. Vergleichbare Kalkulationsschemata sollen, wie in der Produktion, auch in der Verwertung und Erlösberechnung verpflichtend Anwendung finden. Ein öffentliches Daten- oder Vertragsregister nach französischem Vorbild könnte hierbei einen entscheidenden Vorteil bringen.
4. Wie viele Filme verträgt das Kino?
Die in der Vergangenheit stetig gestiegene Anzahl von Kinostarts wird seitens des VDFP kritisch betrachtet, jedoch wird die Diskussion darüber zu stark über quantitative Kenngrößen geführt. Der VDFP steht für eine vielfältige, breit aufgestellte Kinofilmlandschaft. Es ist aus unserer Sicht wichtig, einen qualitativen Diskurs anzustoßen. Originalität, kreative Risikofreude, Konzepte die „punchy“ und „besonders“ sind, sind langfristig das Lebenselixier des Kinos. Strukturen zu schaffen, die das Neue nicht nur zulassen, sondern aktiv suchen; „Production Value“ und Schauwert nicht als Widerspruch zu Experimentierfreude verstehen, sind eine wichtige Basis für die Wahrnehmbarkeit von Kinofilmen für die Zuschauer. Wenn der quantitative Zustand zu vieler Filme in den deutschen Kinos ein Wahrnehmbarkeitsproblem schafft, so ist dies ganz wesentlich über Filme zu lösen, die so ungewöhnlich und auffällig sind und gleichzeitig professionell produziert werden, dass sie aus der Masse herausragen. Um dies zu erreichen, sind für die Produzenten Partner wichtig, die Mut zum Risiko haben und sich früh, klar und schnell zu Projekten bekennen.
5. Kinofilm im TV
Wir möchten die öffentlich-rechtlichen Sender ermutigen, sich wieder vermehrt als Partner von qualitativ hochwertigen Kinofilmen (dies gilt für Fiktion ebenso wie für Dokumentarfilm) zu engagieren. Die öffentlich-rechtlichen Sender, die Produzenten, die gesamte Branche würde von einer starken Marke „Deutscher Kinofilm“ profitieren. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland läuft Gefahr seinen Kultur- und Bildungsauftrag zu vernachlässigen. Der Kinofilm gehört zur deutschen Kultur und daher treten wir für die Schaffung eines wöchentlichen Primetime Sendeplatzes für aktuelle deutsche Kinospielfilme und jeweils einen wöchentlichen Sendeplatz in der 2. Primetime von ARD und ZDF für abendfüllende deutsche Dokumentarfilme ein. Die finanzielle Ausstattung dieser Sendeplätze sollte so ausfallen, dass mindestens 30% der Herstellungskosten der jeweiligen Produktionen durch die TV Beteiligung gedeckt werden.
6. Terms of Trade für Auftragsproduktion
Auftragsvergabe: Sender-Tochterfirmen besitzen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den unabhängigen Produzenten, da sie bei der Auftragsvergabe von reservierten Programmvolumen profitieren. Paradoxerweise ist es damit gerade für große Firmen einfacher und weniger zeitaufwändig, an Aufträge zu kommen. Wir verlangen die Gleichstellung von abhängigen und unabhängigen Produzenten bei der Auftragsvergabe, Transparenz und Produzentenberichte, die die Vergabe an abhängigen Produzenten offenlegen (siehe detaillierten MDR-Bericht). Insbesondere das ZDF-Transportal kann in diesem Punkt den selbstgesetzten Ansprüchen nicht gerecht werden.
Budgetsituation: Seit Jahren sind die Budgets für Fernsehfilme und -serien eingefroren. Während die Tariflöhne kontinuierlich steigen (für 2018 werden abermals 3% erwartet), gibt es für Auftragsproduktionen nicht einmal den längst überfälligen Inflationsausgleich. Die bei der ARD gemäß Eckpunktepapier 2.0 zu kalkulierenden Zusatzkosten sind ein erster positiver Schritt. Ob Produzenten mit dem 2017 von der ARD eingeführte Schichtenmodel den eigenen Finanzierungsanteil überhaupt recoupen können, muss noch evaluiert werden.
Developmentkosten: Derzeit kann Produzent bei den Sendern nur auf 50% der Autorenrechte und der Regiegage HUs und Gewinn kalkulieren, nicht auf das Buy-Out. Um den Produzent in der aufwändigen Entwicklungsarbeit zu stärken, muss es möglich sein, auf die kompletten Entwicklungskosten HUs und Gewinn zu kalkulieren. Bei Projektabbruch sind auf die geleisteten Entwicklungskosten HU und Gewinn zu zahlen. Das Development ist das Zentrum des Films und bedarf einer entsprechenden Vergütung und Anerkennung.
Kalkulationsrealismus: In der Kalkulation müssen die Heads of department mit Realgagen kalkuliert werden.
Die Kosten für die Bankbürgschaften sind bei Auftragsproduktionen nach Sendebandabgabe zurückzuerstatten (siehe ARD). Das ZDF-Modell (keine Rückzahlung, Bankbürgschaft entfällt erst nach fünf beanstandungslosen Produktionen und auch dann nur mit einer ‚Deckelung‘) benachteiligt kleinere und unabhängige Produzenten. Begrüßenswert ist das flexible ‚Producers Financing Program‘ von SAT.1.
Fairness in der Stoffentwicklung: Die Sender reagieren spät auf Angebote und halten den Produzenten oftmals lange Zeit unverbindlich hin. Als „Partner auf Augenhöhe“ sollten Sender auf exklusive Projektangebote innerhalb von 6-8 Wochen reagieren. Nach dieser Frist steht es dem Produzenten frei, das Projekt anderswo anzubieten. Im Falle eines GOs für einen Entwicklungsauftrag, sollten Stoffentwicklungsverträge dem Produzent innerhalb von vier Wochen zugestellt werden.
Pitchingkosten: Bei Einladungen zu einem Pitch, sollte die Anzahl der um den Auftrag konkurrierenden Firmen offen gelegt werden. Bei einem aufwändigeren Pitch sollten die Entwicklungskosten (ab Exposé/Treatment) vom Sender übernommen werden.