Stellungnahme des Produzentenverband e.V. zur „Synopse zu Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - Diskussionsentwurf Phase 1“ in der Fassung vom November 2021

Berlin, 13.01.2022

Der Produzentenverband e.V. ist die maßgebliche Vertretung der unabhängigen Kino-, Streaming- und Fernsehproduzent:innen in Deutschland mit aktuell über 120 Mitgliedern. Wir möchten die Möglichkeit wahrnehmen, nachfolgend Stellung zur „Synopse zu Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - Diskussionsentwurf Phase 1“ zu nehmen. 

A)    VORBEMERKUNG

In einer digitalisierten, globalisierten Medienwelt, die auch Medienkonsum und Nutzerverhalten der Menschen grundlegend verändert hat, stehen nicht nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk, sondern auch die unabhängigen Produzent:innen in Deutschland vor erheblichen Herausforderungen. Auf die von unabhängigen Produzent:innen verantworteten Werke und die damit verbundenen Rechte hat das veränderte Mediennutzungsverhalten enorme - auch finanzielle - Auswirkungen. 

Wir begrüßen ausdrücklich die Bemühungen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit der vorgestellten Synopse zu Auftrag und Strukturoptimierung zukunfts- und konkurrenzfähig zu machen und neben ihren linearen Angeboten auch die non-linearen Möglichkeiten zu stärken und auszuweiten. Wir können nachvollziehen, dass damit zwangsläufig eine Ausweitung von Umfang und Reichweite ihrer Angebote einhergehen muss, möchten aber bereits einführend darauf hinweisen, dass eine solche Ausweitung von Umfang und Reichweite nicht ohne angemessene, nutzungsbezogene Vergütung für diejenigen, die diese Werke geschaffen haben, erfolgen kann. 

Wie wir auf den folgenden Seiten ausführen werden, ist die vorgeschlagene Novellierung aus Sicht des Produzentenverbandes jedoch nicht weitreichend genug, um Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachhaltig zu optimieren. Die Novellierung führt nach unserer Einschätzung nicht zu einer Profilstärkung öffentlich-rechtlicher Programme. Auch das Ziel, den Auftrag derart zu konkretisieren, dass eine bessere Einschätzung der Angemessenheit der Finanzierung möglich ist, erscheint nicht erreicht. 

Das Bundesverfassungsgericht führt in seinem Beschluss des ersten Senats vom 20.Juli 2021 ab Randziffer 78 zur Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus: 

„... Er hat die Aufgabe, als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folgt und damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet. Er hat so zu inhaltlicher Vielfalt beizutragen, wie sie allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden kann.“ (Rz. 78) ... 

„Auf dieser Basis kann und soll er durch eigene Impulse und Perspektiven zur Angebotsvielfalt beitragen und unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anbieten, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht. Er hat hierbei insbesondere auch solche Aspekte aufzugreifen, die über die Standardformate von Sendungen für das Massenpublikum hinausgehen oder solchen ein eigenes Gepräge geben.“ (Rz. 79) ... 

Die gesetzlichen Regelungen sollen es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ermöglichen, seinen klassischen Funktionsauftrag zu erfüllen, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und Willensbildung, neben Unterhaltung und Information seine kulturelle Verantwortung umfasst.“ (Rz. 82)

Der vorliegende Diskussionsentwurf gibt den öffentlich-rechtlichen Sendern nach unserer Einschätzung nicht die Leitplanken, diese vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil formulierte Aufgabe zu erfüllen, eine qualitative und inhaltliche Ergänzung zum privaten Rundfunkangebot und somit auch den Streamingdiensten darzustellen. Vielmehr steht zu befürchten, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten verstärkt darauf hinwirken, marktdominierenden, global tätigen Streaming-Plattformen nachzueifern, anstatt ihr eigenes öffentlich-rechtliches Profil zu stärken und auszubauen sowie eigene audiovisuelle Innovationsimpulse zu setzen, um für Zuschauer:innen jeden Alters ein in jeder Hinsicht hochwertiges Programm anzubieten, das rein kommerzielle Sender oder Streamingdienste nicht anbieten können oder wollen. Mehr vom Gleichen, bereits an anderer Stelle Erfolgreichen, anstelle eigener neuer, qualitativ hochwertiger Akzente.

Ein Bereich, in dem das Engagement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bisher nahezu konkurrenzlos war, ist der deutsche und europäische Kinofilm. Doch dieses Engagement geht seit Jahren zurück. Der Produzentenbericht der ARD weist beispielsweise für den Zeitraum 2014 bis 2020 die Kürzung der Ausgaben für Kinokoproduktionen (inkl. ARD-Degeto) von 25,2 Mio. auf 12,8 Mio. € aus, eine Reduzierung um fast 50%. Es ist zu befürchten, dass sich dieser Trend, unterstützt durch die geplante Neufassung des §30 Absatz (2), weiter fortsetzt, mit weitreichenden Folgen für Urheber:innen, ausübende Künstler:innen und unabhängige Produzent:innen.

Der Kinofilm, ob fiktional oder dokumentarisch, ist Spiegel unserer Gesellschaft, ein wesentliches Abbild von dem, was wir sind, sein werden, sein könnten, der das Publikum in eine bekannte und unbekannte Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft entführt. Künstlerisch engagiert und formal freier, schafft er nicht nur Raum für ein gesellschaftlich impulsgebendes Narrativ, er ist damit auch eine wesentliche Säule zum Erhalt der Vielfalt in den Programmangeboten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Wie kaum eine andere Gattung vereint der Kinofilm Kultur, Information, Bildung und Unterhaltung. Darüber hinaus ist es ein Bereich, in dem vielfältige künstlerische, technische und produzentische Talente entdeckt und gefördert werden, die in der Folge das lineare wie non-lineare Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender inhaltlich und formal bereichern. Ein weiterhin sinkendes finanzielles Engagement in diesem Bereich führt auch dazu, dass diese Talente - und das mit ihnen verbundene Innovationspotential - dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in der Erfüllung des Auftrags, Angebote für alle Altersstufen und sozio-ökonomischen Hintergründe anzubieten, zukünftig nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen. 

Wir möchten aus diesem Grund an den Rundfunkgesetzgeber den dringenden Appell richten, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten das Engagement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für das deutsche und europäische Kinofilmschaffen expliziter als bisher als Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu formulieren. 

Darüber hinaus ist zu befürchten, dass Teile der vorliegenden Novelle das in der Präambel des Medienstaatsvertrages bereits formulierte Ziel der „nachhaltigen Unterstützung neuer europäischer Film- und Fernsehproduktionen“ konterkarieren. 

Der Kinofilm als Teil des öffentlich-rechtlichen Angebotsprofils sichert nicht nur die künstlerische Vielfalt, sondern nachhaltig auch die Vielfalt der unabhängigen Produzent:innenlandschaft in Deutschland und Europa und damit einen Baustein der Meinungs- und Inhaltsvielfalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

 

B)    DIE EINZELREGELUNGEN

§26 – Auftrag

Die in §26 Absatz (1) weiterhin vorgenommene Unterteilung in die Gattungen Kultur, Unterhaltung, Bildung, Beratung oder Information erscheint nicht mehr zeitgemäß und zu unspezifisch, um die vom Rundfunkgesetzgeber erwünschte Qualität und Vielfalt des öffentlich-rechtlichen Programmangebotes abzubilden. Auch ist die in §2 Ziffer 25 – 28 MStV vorgenommene Zuordnung einzelner Programmarten auf diese fünf Gattungen nicht nachvollziehbar, zumal die vielfältigen Inhalte meist nicht eindeutig zuordenbar sind, sondern z.B. im Fall der TV-und Kinofilme oder Serien gleichzeitig informieren, bilden und dabei auch unterhalten. Und niemand wird behaupten wollen, dass Fußballübertragungen nur der Information dienen und nicht gleichzeitig auch der Unterhaltung der Zuschauer:innen. 

Die nun im Diskussionsentwurf vorgenommene Abspaltung der „Unterhaltung“ macht diese pauschal zu einer Programmgattung zweiter Klasse, ganz unabhängig von möglichen Inhalten, die diese Gattung ausfüllen können. 

Wir verweisen an dieser Stelle auf das „Mission Statement“ der BBC, das nach unserer Auffassung als Vorbild geeignet ist, ein öffentlich-rechtliches Programmprofil auch in Deutschland zu formulieren:

The Mission of the BBC is to act in the public interest, serving all audiences through the provision of impartial, high-quality and distinctive output and services which inform, educate and entertain.

Diese Auftragsformulierung der BBC teilt gerade nicht in Gattungen und ordnet diesen einzelne Programmarten zu, sondern setzt eigene Maßstäbe, damit eine öffentlich-rechtliche Anstalt immer im öffentlichen Interesse handelt und allen Zuschauer:innen – nicht nur als Konsument:innen, sondern auch als Bürger:innen – ein vielfältiges Programm anbietet, welches immer, egal in welcher Programmart, für welche Zielgruppe, zu welcher Sendezeit und auf welchem Ausspielweg, unparteiisch, qualitativ hochwertig und unverwechselbar sein sollte, um Zuschauer:innen zu informieren, zu bilden und zu unterhalten.

Aus Sicht des Produzentenverbandes sollte auch in Deutschland eine zeitgemäße Neuformulierung des Auftrags in Erwägung gezogen werden, an der sich lineares wie non-lineares öffentlich-rechtliches Programm, egal unter welchen Gattungsbezeichnungen, zukünftig orientieren und messen lassen muss. Das Festhalten an nicht mehr zeitgemäßen und eindimensionalen Begrifflichkeiten führt nicht zu mehr Eindeutigkeit des Auftrags, der Steigerung der Programmqualität oder einer klareren Einschätzung der Angemessenheit der Finanzierung.

Damit öffentlich-rechtliches Programm für Zuschauer:innen wirklich vielfältig und unverwechselbar bleibt, sollte es nicht nur das immer Gleiche, Hergebrachte und Altbekannte wiederholen, sondern auch Neues wagen. Daher schlagen wir vor, §26 Absatz (1) Satz 5 wie folgt zu ergänzen:

Bei der Angebotsgestaltung sollen sie dabei die Möglichkeiten nutzen, die ihnen aus der Beitragsfinanzierung erwachsen, und tragen dabei durch eigene Impulse, Programminnovationen und Perspektiven zur medialen Angebotsvielfalt bei.

Um eine unbegründete Abwertung der „Unterhaltung“ zu verhindern und unmissverständlich sicherzustellen, dass nicht nur „Unterhaltung“, sondern ebenso auch „Kultur, Bildung, Information, Beratung“ in ihrer Angebotsgestaltung einem öffentlich-rechtlichen Profil zu entsprechen haben, schlagen wir für §26 Absatz (1) Satz 8 und 9 folgende Formulierung vor:

Die öffentlich-rechtlichen Angebote haben der Kultur, Bildung, Information, Beratung und Unterhaltungzu dienen. Unterhaltung soll über die Standardformate von Sendungen für das Massenpublikum hinausgehen und solchen in Inhalt und Form ein eigenes Profil geben, welches einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entspricht.

Sollte der Rundfunkgesetzgeber an der Separierung der „Unterhaltung“ festhalten und mit §26 Absatz (1) Satz 9 in der zur Diskussion gestellten Form Kürzungen in den Bereichen Kino-, Fernseh-, Debüt-, Dokumentarfilm oder Serie beabsichtigen, können wir diesen Kürzungen nur mit Nachdruck widersprechen und auf die negativen Auswirkungen für die Programmvielfalt und den vielfaltsgesellschaftlichen Einfluss der öffentlich-rechtlichen Sender, aber auch die negativen und gegebenenfalls existenzbedrohenden Folgen für unabhängige Produzent:innen in Deutschland hinweisen.

Auch wenn die Bemühungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachvollziehbar sind, gerade jüngere Zielgruppen wieder für ihr Programmangebot zu gewinnen, sehen wir die neue Herausstellung einzelner Zielgruppen (§26 Abs. (1) Satz 7) zwiespältig. Der Fokus des Auftrags auf einzelne Gruppen versetzt andere Bevölkerungsteile und bisher unterrepräsentierte Gruppen unter Umständen bereits im Medienstaatsvertrag in den Hintergrund. Die schon jetzt von ARD und ZDF vorgenommene Zuspitzung der Inhalte auf die Zielgruppe unter 35 wird durch die neue Formulierung im Nachhinein legitimiert und der Fehler der vergangenen Jahre, Programm mit Fokus vor allem auf eine Zielgruppe anzubieten, mit einer neuen, jüngeren Zielgruppe wiederholt. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen den Auftrag haben, Programm für alle Alters- und sozioökonomischen Gruppen und damit auch für bisher im Programmangebot marginalisierte Gruppen anzubieten. Nur so entsteht ein vielfältigeres, unverwechselbares Programmangebot, das das öffentlich-rechtliche Profil und in der Folge die Akzeptanz in der gesamten Bevölkerung stärkt.

Der Produzentenverband würde es begrüßen, wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch den Rundfunkgesetzgeber in §26 Absatz (2) auch zu Diversität und Parität verpflichtet werden. Nicht nur innerhalb der einzelnen Rundfunkanstalten, sondern vor allem auch bei der Vergabe von Produktionsaufträgen an Filmhersteller:innen, die von den auftraggebenden Rundfunkanstalten unabhängig sind.

§30 - Telemedienangebote

Öffentlich-rechtliche Mediatheken stehen mit zahlreichen kommerziellen Video-on-Demand-Anbietern und Plattformen im Wettbewerb um Zeit und Aufmerksamkeit der Zuschauer:innen. Dazu zählen die global tätigen und mit hohen Investitionsmitteln ausgestatteten, aber auch die auf den deutschsprachigen Markt konzentrierten privaten Anbieter. Zum vom Gesetzgeber intendierten Gegengewicht zu diesen Anbietern werden öffentlich-rechtliche Mediatheken aber gerade dann nicht, wenn sie sich mit ihren Inhalten und Zielgruppen an diesen Anbietern orientieren und nur noch mehr des Gleichen anbieten – also ein Programm, das so oder ähnlich auch bei anderen Anbietern abrufbar ist. 

Die in §30 Absatz (1) benannte „Einbeziehung einer gemeinsamen Plattformstrategie“ wirft die Frage auf, warum der Rundfunkgesetzgeber eine gemeinsame Plattformstrategie bevorzugt und der Möglichkeit getrennter Plattformstrategien, die unter Umständen die öffentlich-rechtliche Programmvielfalt stärkt, eine Absage erteilt. Besser wäre es an dieser Stelle, durch die folgende Änderung, nicht nur eine gemeinsame, sondern auch mehrere Plattformstrategien zu ermöglichen: 

…, was auch unter Einbeziehung einer gemeinsamen Plattformstrategie erfolgen kann.

Der geplanten Neufassung des §30 Absatz (2) Punkt 2 müssen wir aus mehreren Gründen widersprechen.

Nicht nur europäische, sondern auch nicht-europäische Werke sollen laut Diskussionsfassung zukünftig völlig unabhängig von einer linearen Ausstrahlung in den Mediatheken angeboten werden können. Die im Gesetzestext vorgenommene Beschränkung auf „angekaufte Spielfilme“ und „angekaufte Folgen von Fernsehserien“ stärkt die Befürchtung, dass versucht wird, das gleiche Angebot bereitzuhalten wie die privatwirtschaftlichen Streaminganbieter. Eine zur Vielfaltssicherung notwendige Ausweitung auf angekaufte Dokumentar- und Animationsfilme oder hybride Formen scheint der Rundfunkgesetzgeber nicht in Betracht zu ziehen. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Angebot der Privaten ergänzen soll, da es absehbar darum gehen wird, vor allem nicht-europäische Spielfilme und Serien in die Mediatheken einzustellen, die sich hauptsächlich am Massengeschmack orientieren, die Mediatheken also mit solchen Inhalten zu füllen, die auch im Angebot der Konkurrenzplattformen abrufbar sind. 

Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Programmvielfalt. Vielmehr ist zu befürchten, dass sich die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten hier in einen Wettbewerb um den Erwerb von Lizenzen begeben, der dazu führt, dass Lizenzkosten steigen und das dafür eingesetzte Programmbudget anderen deutschen oder europäischen Filmen und Serien nicht mehr zur Verfügung steht. In der Folge würde das Engagement der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für die neue Beauftragung europäischer Werke zugunsten von nicht-europäischer Lizenzware zurückgehen. Für in Deutschland ansässige Produzent:innen kann dies zur Folge haben, dass der Koproduktions- und Lizenzanteil der Sendeanstalten bzw. die Budgets für Auftragsproduktionen weiter sinken. Aus diesem Grund sollte „und nicht-europäischen“ Werke in §30 Absatz (2) Ziffer 2 gestrichen werden.

Schon heute werden Produzent:innen regelmäßig damit konfrontiert, dass angebotene Lizenzpreise mit dem vom Sender erwarteten Senderechteumfang sowie der erwünschten Mediathekverweildauer nicht im Einklang stehen. Auch die vom Rundfunkgesetzgeber im Diskussionsentwurf ergänzte einschränkende Sendeminuten-Quote für nicht-europäische Spielfilme und Serien wird es nicht vermögen, dieses Ungleichgewicht für deutsche Produktionen zu bekämpfen. Dazu müsste die Quote in einem ersten Schritt nicht nur die Sendeminuten, sondern ganz klar auch das zur Verfügung stehende Budget regulieren. 

Der Produzentenverband möchte den Rundfunkgesetzgeber an dieser Stelle darauf hinweisen, dass eine Ausdehnung der Mediathekverweildauer für deutsche und europäische Werke, wie mit dem aktuell in verschiedenen Rundfunkanstalten im Drei-Stufen-Test befindlichen Telemedienänderungsgesetz und dem darin inkludierten Verweildauerkonzept vorgesehen, nur mit einer angemessen und nutzungsbezogenen Vergütung einhergehen kann. 

Eine Ausweitung der Verweildauer in den Mediatheken für deutsche und europäische Werke sowie die Vergrößerung der Reichweite durch eine öffentlich-rechtliche Plattformstrategie wird absehbar dazu führen, dass Lizenzen, die durch Produzent:innen, Verleiher oder Weltvertriebe an andere Lizenznehmer lizenziert werden könnten, entwertet werden, sollten die vertragsgegenständlichen Werke über die im neuen Verweildauerkonzept angedachten Zeiträume frei in der Mediathek und ggf. zusätzlich auf Drittplattformen abrufbar sein. Dieses geplante Vorgehen zerstört Lizenzketten nachhaltig, erschwert die immer schwieriger werdende Finanzierung von unabhängigen Filmen, vor allem auch von Kinofilmen, erheblich und führt dazu, dass gerade unabhängigen Produzent:innen die Existenzgrundlage entzogen wird. 

Gleiches gilt auch für nur teilfinanzierte Auftragsproduktionen, die durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten immer breiter ausgewertet werden, ohne ein angemessenes Verhältnis zu wahren, welches dem Verhältnis einer solchen Teilfinanzierung entspräche, und so Produzent:innen immer mehr Möglichkeiten genommen werden, aus der Auswertung ihrer Produktionen eingebrachte Investitionen zu refinanzieren oder gar einen Pioniergewinn zu erwirtschaften, auch wenn die Ideen, Konzepte und Stoffe für diese Produktionen – ob für Filme, Serien oder Shows – in aller Regel von Produzent:innen an die Redaktionen der Anstalten herangetragen werden. 

Die unabhängigen Produzent:innen möchten auch zukünftig die öffentlich-rechtliche Programmvielfalt mit ihren Produktionen stärken. Jedoch muss dies mit einer angemessenen und realistischen Finanzierung der Produktionen und einer angemessenen, nutzungsbezogenen Vergütung eingeräumter Rechte einhergehen. 

Die Formulierung „... vor und nach deren Ausstrahlung sowie als eigenständiger audiovisueller Inhalt bis zu dreißig Tage...“ in §30 Absatz 2 Ziffer 2 ist nicht eindeutig. Sie wirft die Frage auf, auf welchen Zeitpunkt sich die 30-Tagesfrist bezieht. Jeweils 30 Tage vor und nach der Ausstrahlung, insgesamt also 60 Tage? Oder bleibt es bei insgesamt höchstens 30 Tagen, gleichgültig wie diese vor und nach einer Ausstrahlung verteilt sind? Wir verstehen diese Formulierung so, dass es bei insgesamt höchstens 30 Tagen bleiben soll. Dann schließt sich allerdings die Frage an: Soll diese 30-Tagesfrist nur für die Erstausstrahlung gelten? Oder erneuert sie sich bei jeder weiteren Folgeausstrahlung, sodass die Verweildauer über Wiederholungssendungen beliebig verlängert werden kann? Jedenfalls sollte die Formulierung zur Fristberechnung eindeutig sein, ansonsten bliebe Rechtsunsicherheit. Es versteht sich von selbst, dass wir erwarten, dass eine derart verlängerte Verweildauer dann auch in einer entsprechend erhöhten Vergütung für solche Mediathekenrechte widergespiegelt werden muss, ansonsten würde die Verweildauer letztlich auf Kosten der Produzent:innen verlängert.

Anschließend an unseren einführenden Appell, den deutschen und europäischen Kinofilm entsprechend der Prämisse des Staatsvertrages durch diese Novelle zu stärken, möchte der Produzentenverband an dieser Stelle anregen, dem erfolgreichen Beispiel Frankreichs zu folgen und entsprechende Mindestquoten im linearen wie non-linearen Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzuführen.

Davon ausgehend, dass mit der Ergänzung §30 Absatz 4 Satz 2 der Einsatz von „Empfehlungssystemen“ und damit auch vorprogrammierter Empfehlungsalgorithmen ermöglicht werden soll, erklärt es sich nicht, warum diese Systeme den offenen Meinungsbildungsprozess und Diskurs nur ermöglichen „sollen“ und nicht „müssen“. Es ist unserer Meinung nach unverzichtbar, dass die durch Algorithmen getroffenen Vorschläge Meinungsbildungsprozesse unterstützen und Diskurse nicht einschränken. Es muss sichergestellt werden, dass das Empfehlungssystem in geeignetem Maße auch Empfehlung außerhalb der bisher in der Programmauswahl gezeigten Interessen und Meinungen gibt. Wir schlagen die folgende Änderung vor: 

„...Soweit sie in ihren Telemedienangeboten Empfehlungssysteme nutzen oder anbieten, müssen diese einen offenen Meinungsbildungsprozess und breiten inhaltlichen Diskurs ermöglichen.“

Um Transparenz über die angewandten Kriterien solcher „Empfehlungssysteme“ und ihrer dafür programmierten Empfehlungsalgorithmen sicher zu stellen, sollte nach Satz 2 noch ergänzt werden:

„Dabei sollen sie die maßgeblichen Kriterien ihrer Empfehlungssysteme offenlegen.“

Die mit §30 Absatz 4 Satz 5 intendierte Möglichkeit, öffentlich-rechtliches Programm nicht nur in den eigenen Mediatheken, sondern auch auf Drittplattformen anzubieten, ist unserer Einschätzung nach kritisch zu betrachten. Soll öffentlich-rechtliches Programm vor allem auch dort wahrnehmbar sein, wo die Nutzung dieser Angebote besonders hoch ist, kann das mit einer Orientierung am Massengeschmack anstelle der Schaffung eines qualitativen Mehrwertes einhergehen. Und gerade diese Orientierung der Inhalte am Massengeschmack und damit an marktkommerziellen Aspekten kann vom Rundfunkgesetzgeber nach unserer Auffassung eigentlich nicht beabsichtigt sein.

Wenn ARD und ZDF ihr Programm nicht nur in ihren eigenen Mediatheken präsentieren, sondern die Inhalte auch an Drittplattformen geben, erhöht dies zwar die Reichweite, jedoch werden damit auch solche Drittplattformen, die rein kommerziell agieren und selbst kein öffentlich-rechtliches Profil haben, zwangsläufig gestärkt – und dies mit Inhalten, die mit Rundfunkbeiträgen für unsere öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten finanziert wurden. Ob dies zu mehr Akzeptanz des Rundfunkbeitrags führt, kann infrage gestellt werden. Auch ebnet es Zuschauer:innen nicht zwangsläufig den Weg zurück in öffentlich-rechtliche Mediatheken, sind Programmangebote, die das jeweilige Interesse befriedigen, doch so auch auf Drittplattformen zu finden.

Der Produzentenverband kann das intendierte Interesse, die Reichweite des öffentlich-rechtlichen Programms zu vergrößern, selbstverständlich nachvollziehen. Auch unsere Mitglieder haben ein Interesse daran, dass ihre Produktionen von möglichst vielen Zuschauer:innen gesehen werden. Wir müssen aber auch an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass die Nutzung der Inhalte, die über die Nutzung im linearen Programm und die bisherige Nutzung in öffentlich-rechtlichen Mediatheken hinausgeht, gegenüber denjenigen, die diese Inhalte geschaffen haben, transparent zu kommunizieren und angemessen und nutzungsbezogen zu vergüten ist. 

§31 - Satzungen, Richtlinien, Berichtspflichten

Aus Sicht des Produzentenverbandes ist es, nicht zuletzt für die Akzeptanz in der Bevölkerung, unabdingbar, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk transparenter als bisher über seine Arbeit und die damit verbundenen Programminvestitionen (verteilt auf die unterschiedlichen Programmbereiche, jeweils aufgeschlüsselt nach Eigenproduktionen, Auftragsproduktionen, Koproduktionen und Lizenzankäufen) berichtet. Die Berichte nach §31 Absatz 2 sollten nicht nur den Landtagen zur Kenntnis gegeben werden, sondern auch der interessierten (Branchen-)Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Auch sollten die Berichtspflichten genauer formuliert werden.

Für die durch den Rundfunkgesetzgeber in §31 Absatz (2b) vorgesehene „Überprüfbarkeit im Sinne der Einhaltung des Auftrags gemäß §26“ ist auch Budget-Transparenz im Hinblick auf solche Programminvestitionen unverzichtbar. Öffentlich-rechtliche Programmqualität und Vielfalt muss angemessen finanziert werden. Legen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ihren Fokus vor allem und hauptsächlich nur auf Teilbereiche des Gesamtauftrages, ist dies auch in der Mittelverwendung ablesbar. Nach Satz 3 sollte daher noch ergänzt werden: 

3Die Standards sind in dem Bericht nach Absatz 2 zu veröffentlichen und regelmäßig unter Berücksichtigung der anerkannten medienwissenschaftlichen Erkenntnisse und publizistischer Praxis zu überprüfen. 4Dabei ist auch zu überprüfen, wie und wofür die Rundfunkanstalten ihren Programmhaushalt verteilt auf ihre Angebote zur Kultur, Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung ausgeben.

Wünschenswert ist es darüber hinaus, dass die mit §31 Absatz 2b vorgesehenen Zielvorgaben nicht allein durch die Gremien der Rundfunkanstalten festgelegt, sondern auch in einem Dialog mit Branchenvertreter:innen diskutiert und gefunden werden. Das Einbeziehen einzelner Sachverständiger erscheint hier nicht ausreichend.

Der mit §31 Absatz 2d beabsichtigte kontinuierliche Bevölkerungsdialog kann ein geeignetes Mittel sein, die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bevölkerung zu stärken. Wir möchten jedoch anregen, dass ein Dialog zu Qualität, Leistung und Angebot kontinuierlich auch mit den Branchenverbänden geführt wird. 

Für alle Beitragszahler:innen sollte auf überschaubare und nachvollziehbare Art einsehbar sein, wofür die Rundfunkanstalten ihre Beitragserträge verwenden. Nur auf Basis dieser Informationen ist die Bevölkerung in der Lage, den angestrebten Dialog fundiert zu führen. Daher sollte in Absatz (2d) der folgende Satz ergänzt werden:

Zu diesem Dialog gehört auch, dass die Anstalten den Beitragszahlenden in einem auf überschaubare und nachvollziehbare Art verfassten Bericht für jedes Beitragsjahr darlegen, wie und wofür sie ihre Beitragserträge zur Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags, verteilt auf ihre Angebote zur Kultur, Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung, verwendet haben.

In §31 Absatz 3 sollten die Berichtspflichten um folgende Punkte ergänzt werden:

a) Der Anteil der Beauftragung senderabhängiger und senderunabhängiger Produktionsunternehmen sollte in den Berichten detailliert (aufgeteilt nach Sendeplätzen, Mediathekangeboten, Programmgattungen und Produktionsbudgets) ausgewiesen werden.

b) Zur zeitnahen Erreichung von Parität und größtmöglicher Diversität ist es notwendig, dass Rundfunkanstalten auch hier zu einem detaillierten Monitoring verpflichtet werden.

c) Abschließend ist es aus unserer Sicht wünschenswert, zukünftig auch das Engagement in der Talentförderung in den Berichten abzubilden. Dies betrifft nicht nur die Nachwuchsarbeit innerhalb der Institutionen, sondern vor allem die Auftragsvergabe an und die Einbindung von neuen Talenten sowie das den Nachwuchsredaktionen (Debüt im Ersten, Debüt im Dritten, Das kleine Fernsehspiel etc.) zur Verfügung stehende Budget und die daraus entstehenden Projekte. 

Die Berichte sollten jährlich auch der Branchenöffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 

§32a - Überführung und Austausch von Programmen

Mit Bezug auf die Diskussionen zur Angemessenheit der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten muss der Produzentenverband darauf hinweisen, dass die durch den neuen §32a ermöglichte Überführung von Inhalten von der linearen Ausstrahlung in das Internetangebot nicht automatisch mit einer Verringerung des für die Entwicklung und Produktion zur Verfügung stehenden Budgets einher gehen darf. 

Auch bei einer Online-Only-Nutzung beauftragter oder ko-finanzierter Programminhalte müssen sich die zur Verfügung stehenden Budgets an aktuellen Marktbedingungen orientieren und dürfen nicht zu einer Unterfinanzierung der Projekte, zu Lasten der Qualität sowie der beauftragten Produzent:innen führen.

Neue Angebotskonzepte sollten von den Gremien der Rundfunkanstalten noch transparenter kommuniziert, die Branchenverbände auf die Möglichkeiten, zu diesen Konzepten Stellung zu nehmen, direkt hingewiesen werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass zukünftige Entwicklungen nicht zum Nachteil und auf Kosten der Produzent:innen unternommen werden. 

§36 - Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Der Rundfunkgesetzgeber sollte die bei der Ermittlung des Finanzbedarfes zugrundeliegenden Punkte um eine Ergänzung erweitern. Der Fachkräftemangel ist auch im Bereich der Film- und Serienproduktion spürbar. Dies führt dazu, dass vor allem Crewmitglieder momentan Gagen verhandeln können, die weit über die im Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende vereinbarten Mindestgagen hinausgehen. 

Diese tarifvertraglichen Gagen bilden aber noch immer die Grundlage der Kalkulationsgespräche vor allem für Auftragsproduktionen. Eine Berücksichtigung aktueller Gagenentwicklung ist durch die in §36 Absatz (2) Punkt 3 benannte „besondere Kostenentwicklung im Medienbereich“ nicht unbedingt inkludiert und sollte zur Erreichung eines Kalkulationsrealismus unbedingt ergänzend benannt werden. 

§40 - Kommerzielle Tätigkeiten

Ergänzend zu den vom Rundfunkgesetzgeber zur Diskussion gestellten Neuerungen möchte der Produzentenverband abschließend Prüfung und gegebenenfalls Novellierung des §40 Medienstaatsvertrag – Kommerzielle Tätigkeiten anregen. Der Paragraph in der jetzigen Fassung ist nach unserer Auffassung nicht geeignet, einer Bevorzugung sendereigener Tochterfirmen bei der Auftragsvergabe entgegenzuwirken. Eine zunehmende Bevorzugung sendereigener Tochterfirmen zu Ungunsten unabhängiger Produktionsfirmen ist unserer Beobachtung nach inzwischen unübersehbar.

Eine fundierte Überprüfung dieser Beobachtung anhand der veröffentlichten Geschäftsberichte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist aufgrund fehlender bzw. nicht ausreichend detaillierter Angaben in den Berichten noch immer nicht allumfänglich möglich.

Darüber hinaus führt die Praxis, Produktionsaufträge an unabhängige Produktionsfirmen mehr und mehr durch Eigenproduktionen regionaler Rundfunkanstalten und Auftragsproduktionen sendereigener Tochterfirmen zu ersetzen, dazu, dass in der Region ansässige Produzent:innen zunehmend in ihrer Tätigkeit eingeschränkt und damit in ihrer Existenz bedroht werden. 

Im Sinne der Steigerung inhaltlicher Vielfalt und Qualität des öffentlich-rechtlichen Programmangebotes und der Sicherung produzentischer Vielfalt in Deutschland sollte der Rundfunkgesetzgeber im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten darauf hinwirken, dass für alle Produktionsunternehmen die gleichen Marktbedingungen im Hinblick auf die Vergabe von Aufträgen gelten, egal ob diese als abhängig, unabhängig, etabliert oder Nachwuchs einzuordnen sind. Darüber hinaus sollten die Rundfunkanstalten nach Ansicht des Produzentenverbandes dazu verpflichtet werden, einen angemessenen Anteil ihrer Aufträge und des damit verbundenen Budgets an unabhängige Produktionsfirmen zu vergeben. 

Der Produzentenverband unterstützt das Anliegen des Rundfunkgesetzgebers, mit dem vorliegenden Diskussionsentwurf sowohl dem veränderten Nutzungs- und Rezeptionsverhalten und den Erwartungen der beitragszahlenden Zuschauer:innen Rechnung zu tragen. Jedoch erreicht der vorliegende Diskussionsentwurf das gesetzte Ziel aus den dargestellten Gründen nur sehr eingeschränkt.

Davon ausgehend, dass unsere Ausführungen in den weiteren Novellierungsschritten Berücksichtigung finden, steht der Vorstand des Produzentenverband e.V. für weiterführende Gespräche zu diesem Thema selbstverständlich zur Verfügung.

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Exklusives Benefizscreening des hochaktuellen SpielfilmsKLONDIKE der ukrainischen Regisseurin Maryna Er Gorbach

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