DIE KULTUR-, KREATIV- UND MEDIENBRANCHE DEUTSCHLANDS

Offener Brief
26. Juli 2024

Sehr geehrte Frau Präsidentin von der Leyen,

zu Ihrer Wiederwahl als Präsidentin der Europäischen Kommission gratulieren wir Ihnen herzlich und wünschen Ihnen für die vor Ihnen liegenden Aufgaben und Gestaltung viel Erfolg. Dazu gehört es zweifelsohne auch, die Vorreiterrolle Europas bei der Schaffung eines Rechtsrahmens für einen sicheren, fairen und verlässlichen Umgang mit KI auszubauen.

Gemeinsam wenden wir uns deshalb als wichtigste Organisationen der Kultur-, Kreativ- und Medienscha􏰀enden heute an Sie. Wir vertreten Urheber:innen und ausübende Künstler:innen, Produzent:innen, Musikunternehmen, Verleger:innen und Verwerter aus den Branchen Musik, Buch, Kunst, Fotografie, Presse und Journalismus, audio- und audiovisuelle Medien, Architektur, Design, Bühne etc., und damit viele Millionen Freiberufler:innen, Angestellte sowie zehntausende von Unternehmen – nicht weniger als den zweitwichtigsten Wirtschaftszweig in Deutschland.

Der Beginn der Legislaturperiode gibt der EU-Kommission die Chance, mit den richtigen Vorhaben im neuen Arbeitsprogramm der Kommission wesentliche Weichenstellungen für unsere Zukunft vorzunehmen. Mit einer sachgerechten Regulierung, insbesondere im Bereich Künstliche Intelligenz, können Sie die enorme Vielfalt und Wirtschaftskraft der europäischen Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft erhalten und diesem Wirtschaftszweig Impulse für weitere Innovation und Wachstum geben. KI, und insbesondere Generative KI, bietet viele Chancen und Möglichkeiten. Aber wir bitten Sie, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass eine Nutzung der wertvollen Inhalte unseres Wirtschaftszweiges durch KI-Anbieter nur mit sachgerechter Transparenz und gegen Lizenzen erfolgt.

Unsere Branchen tragen essenziell zur Entwicklung und wirtschaftlichen Attraktivität von generativen KI-Systemen bei. Diese Systeme nutzen ungehemmt hochwertige, von Menschen erschaffene Inhalte für ihr Training und weitere Zwecke, was zu ernsthaften Wettbewerbsproblemen führt. Bereits jetzt können KI-Systeme auf Basis professioneller Medieninhalte und kultureller Werke in Sekundenschnelle und ohne nennenswerte Kosten Konkurrenzprodukte erstellen, die allerdings ohne eine vorherige Ausbeutung der Leistungen unserer Branchen gar nicht denkbar wären. Diese Entwicklung gefährdet die Wirtschaftlichkeit echter, weil von Menschen verantworteter Kreativ- und Medienangebote, aber auch die freie öffentliche Meinungsbildung und den demokratischen Diskurs. Diese Ausbeutung europäischer Vielfalt und Werte wollten die EU-Kommission und das Parlament sicher weder mit der EU-Copyright-Richtlinie noch mit dem AI Act zulassen. Die Gefahr wird zusätzlich durch die Marktmacht außereuropäischer digitaler Torwächter verstärkt.

Generative KI kann in Echtzeit Zusammenfassungen von Presse und Rundfunkinhalten erstellen, Presseartikel, Fiktion und Sachliteratur produzieren, Drehbücher entwerfen, Bilder generieren, Filme herstellen, Songs komponieren, Designs entwerfen, Stimmen imitieren und vieles mehr. Wenn solche Angebote in Plattformdienste integriert werden, entstehen nicht nur Probleme bei der Überprüfbarkeit der Echtheit und Authentizität durch ausbleibende Nachfrage bei den originären Anbietern. Es entsteht vor allem auch ein erhebliches Wettbewerbsproblem, das die gesamte Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft bedroht. Damit sind auf längere Sicht auch die Pluralität und Verlässlichkeit journalistischer und anderer Medienangebote in Gefahr.

Die mächtige Technologie KI muss daher auf einem verantwortungsvollen Umgang mit unseren Lizenz- und Persönlichkeitsrechten basieren. Derzeit können Technologieunternehmen sich durch bestehende Rechtslücken und Rechtsunsicherheit einen immensen Wettbewerbsvorteil verschaffen und große Teile unserer Wertschöpfung ohne Gegenleistung für sich vereinnahmen. Jegliche Verantwortung für die von ihnen geschaffenen gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Risiken lehnt die KI-Industrie bisher ab. Im Sinne eines fairen Wettbewerbs und eines verantwortungsbewussten Umgangs mit unbegrenzten technischen Möglichkeiten muss dieses Ungleichgewicht aufgelöst werden.

Wir fordern daher:

1. Rechteinhaber:innen müssen frei und rechtssicher über die Verwendung ihrer Inhalte entscheiden können.

Geschützte Inhalte dürfen nur mit vorheriger Zustimmung der Rechteinhaber:innen genutzt werden. Es muss sichergestellt werden, dass die hierzu von der EU vorgesehenen Maßnahmen nicht zu Nachteilen für die Rechteinhaber:innen führen. Als Mindestmaßnahme fordern wir die Herstellung von Rechtssicherheit und Effizienz bei dem derzeit geltenden, aber noch weitgehend ungeregelten Opt-Out-Verfahren. Dieses Verfahren muss konkretisiert und zu einem effektiven Werkzeug umgestaltet werden. Die Kultur-, Kreativ- und Medienbranche muss an den gerade stattfindenden Prozessen in Brüssel zur Ausgestaltung des AI Acts beteiligt werden. Dies gilt auch für die vom AI Office umzusetzenden Verfahren und Tools zur Einhaltung der Transparenzpflichten. Bislang fehlt die Kultur-, Medien- und Kreativwirtschaft in der vom AI O􏰀ice benannten Liste der Stakeholder. Dies muss korrigiert werden. Die im AI Act vorgesehenen Transparenzpflichten für Anbieter von KI-Anwendungen mit allgemeinem Verwendungszweck sind so auszugestalten, dass ein ausreichendes Maß an Transparenz gewährleistet ist, damit Rechteinhaber ihre Rechte auch geltend machen und durchsetzen können.

2. Für die Nutzung kreativer Inhalte muss angemessen und marktgerecht gezahlt werden.

Wie überall in der Wirtschaftswelt (ob bei Strom, Telekommunikation, Waren, Dienstleistungen) muss auch für kreative Inhalte gelten: Wer nutzt, muss dafür eine Vergütung zahlen. Die EU muss dafür sorgen, dass KI-Anbieter kreative Leistungen nur gegen Lizenz bzw. mit Zustimmung der betroffenen Kultur-, Kreativ- und Medienschaffenden nutzen.

3. Effektive Regulierung von außereuropäischen KI-Anwendungen durch EU-Recht

Mit der Verabschiedung des AI Acts hat die EU erste Rahmenbedingungen geschaffen. Nun muss es darum gehen, dass diese europäische Regulierung nicht faktisch leerläuft. In der EU angebotene KI- Anwendungen müssen dem EU-Recht unterliegen, auch wenn die Anbieter ihren Sitz nicht in der EU haben. Die vergangenen Dekaden sowie die von der EU-Kommission eingeleiteten Verfahren gegen die Plattformgiganten zeigen: Die digitalen Gatekeeper können den europäischen Markt ausbeuten, die Marktbedingungen in der digitalen Welt beeinträchtigen europäische Unternehmen bis hin zu Soloselbständigen, während die außereuropäischen Gatekeeper unvermindert wachsen. Im Gegensatz zu den Akteuren der Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft leisten die Gatekeeper keine angemessenen Beiträge für die europäische Volkswirtschaft. Diese Situation ist aufgrund ungenügender Regulierung digitaler Märkte in den Anfangsjahren des Internets entstanden. Die EU- Kommission hat jetzt die Chance, zu verhindern, dass sich dieser Fehler bei der Gestaltung der Märkte und Regulierung im KI-Zeitalter wiederholt.

Wir bitten Sie eindringlich, sich dafür einzusetzen, dass die Rechte der Kultur-, Kreativ- und Medienschaffenden in Europa gewahrt bleiben und so Europa weiterhin ein Kontinent kreativer und medialer Vielfalt bleibt.

Ihre
Kultur-, Kreativ- und Medienbranche Deutschlands

Unterzeichner
(in alphabetischer Reihenfolge)

Allianz deutscher Designer
www.agd.de

AG DOK Berufsverband Dokumentarfilm
www.agdok.de

AudioVisuelle Übersetzer*innen – AVÜ
www.filmuebersetzen.de

Börsenverein des Deutschen Buchhandels
www.boersenverein.de

Bundesarchitektenkammer
www.bak.de

Bundesverband Bildendender Künstlerinnen und Künstler
www.bbk-bundesverband.de

Berufsverband Kommunikationsdesign
www.bdg.de

Bund der Szenografen
www.szenografen-bund.de

Bundeskongress Kinderbuch
https://bundeskongress-kinderbuch.de

Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft
https://bdkv.de

Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler
www.bvdg.de

Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger
www.bdzv.de

Bundesverband Freie Fotografen und Filmgestalter
www.bff.de

Bundesverband freiberuflicher Kulturwissenschaftler
www.b-f-k.de

Bundesverband Filmschnitt Editor
www.bfs-filmeditor.de

Bundesverband Musikindustrie (BVMI)
www.musikindustrie.de

BVPA – Bundesverband professioneller Bildanbieter
www.bvpa.org

Bundesverband Schauspiel
www.bffs.de

Bundesverband Synchronregie und Dialogbuch
www.bsd-synchron.de

Bundesverband Architekturfotografie BVAF
www.bvaf.de

Berufsvereinigung Filmton
www.bvft.de

Berufsverband Kinematografie
www.kinematografie.org

Bundesverband Regie
www.regieverband.de

Composers Club
www.composers-club.de

Corint Media GmbH
www.corint-media.com

Das SYNDIKAT - Verein für deutschsprachige Kriminalliteratur
www.das-syndikat.com

Deutsche Fachpresse
www.deutsche-fachpresse.de

Deutscher Designtag
www.designtag.org

Deutscher Drehbuchverband
www.drehbuchverband.de

Deutsche Filmakademie
www.deutsche-filmakademie.de

Deutsche Filmkomponist:innen Union
www.defkom.de

Deutsche Jazzunion
www.deutsche-jazzunion.de

Deutscher Künstlerbund
www.kuenstlerbund.de

Deutscher Gewerkschaftsbund
www.dgb.de

Deutsche Journalist:innen Union
www.dju.verdi.de

DFL Deutsche Fußball Liga
www.dfl.de

Deutscher Journalisten-Verband
www.djv.de

Deutscher Komponist:innen Verband
www.komponist-innenverband.de

DMV – Verband Deutscher Musikverlage
www.dmv-online.de

Deutscher Textdichter Verband
www.textdichter-verband.de

Freelens
www.freelens.com

Genossenschaft Deutscher Bühnen- Angehöriger
www.gdba.de

Gesellschaft für musikalische Au􏰀ührungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA)
www.gema.de

Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (GVL)
www.gvl.de

Illustratoren Organisation
www.illustratoren-organisation.de

Initiative Urheberrecht
www.urheber.info

Mediamusic – Berufsverband Medienmusik
www.mediamusic-ev.de

Mörderische Schwestern
www.moerderische-schwestern.eu

MVFP: Medienverband der freien Presse
www.mvfp.de

NAR - Netzwerk Autorenrechte
www.netzwerk-autorenrechte.de

PEN- Zentrum Deutschland
www.pen-deutschland.de

Produzent*innenverband
www.produzentinnenverband.de

SPIO – Spitzenorganisation der Filmwirtschaft
www.spio.de

Verband Freier Musik Scha􏰀ender
www.promusikverband.de

Spieleautorenzunft
www.spieleautorenzunft.de

Text und Konzept
www.berufsverbandtext.de

unisono Deutsche Musik- und Orchestervereinigung
www.uni-sono.org

Verband Deutscher Lokalzeitungen und Lokalmedien
www.lokalpresse.de

Verband der Hörspiel Regie
www.dhr.info

ver.di
www.medien.verdi.de

Vereinigung Deutscher Musik-Bearbeiter
www.musikbearbeiter-ev.de

Vereinigung deutscher Opern- und Tanzensembles
www.vdoper.de

Verband Deutscher Sprecher:innen
www.sprecherverband.de

Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke
www.literaturuebersetzer.de

Verband der Berufsgruppen Szenenbild und Kostümbild
www.v-sk.de

Verband Deutscher Schriftsteller:innen in ver.di
www.kunst-kultur.verdi.de

Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst)
www.bildkunst.de

Verwertungsgesellschaft Wort
www.vgwort.de

VUT – Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen
www.vut.de


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